Impuls zum 9. Februar
Von Ferdinand Kerstiens (Marl), pax christi Münster
Die leeren Netze
Auf Frieden hoffen, auch wenn es lange, sehr lange, fast ein Leben lang dauert,
bis der Schmerz, die Wunden, die Hoffnungslosigkeit, die Wut, die Angst sich legen in mir.
Auf Frieden hoffen, auch wenn alle Zeichen um uns herum eher den Krieg verheißen
und mein Inneres den Frieden gar nicht zu spüren wagt.
Auf Frieden hoffen, auch wenn die Fluchtgedanken mich zu überwältigen drohen.
Auf Frieden hoffen und sich bewusst sein, dass er nicht zu erzwingen ist.
Auf Frieden hoffen in Zeiten des Unfriedens und dabei friedenswillig und bemüht bleiben;
ein harter Prüfstein für unsere menschliche Seele, die des Leidens müde geworden ist.
Viola Raheb
Evangelium Lukas 5,1-5a
In jener Zeit, als Jesus am Ufer des Sees Gennesaret stand, drängte sich das Volk um ihn und wollte das Wort Gottes hören. Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in das Boot, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus. Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: „Fahr hinaus auf den See! Dort werft eure Netze zum Fang aus!“ Simon antwortet ihm: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“
„Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“ Das ist die Klage von Behinderten, die ihre Ausgrenzung spüren. Das ist die Klage des 45jährigen, der immer nur hören muss, er sei zu alt für einen neuen Arbeitsplatz. Da wird eine Frau mit ihren Kindern von der Sozialhilfe abhängig, weil ihr Mann sie verlassen hat und der Sucht verfallen ist. Sie arbeitet und arbeitet, aber kommt nicht mehr hoch.
Da sind Friedensgruppen in Israel, Palästina und anderswo, die immer noch Versöhnung suchen zwischen den Völkern und Menschen und doch oft von der Gewalt überrollt werden. Da sind Asylgruppen, die trotz allen Mühens erleben müssen, wie die Menschen, für die sie sich einsetzen, doch in eine ungewisse Zukunft abgeschoben werden, die Lebensgefahr bedeutet.
Da sind die Eltern, die sich bemüht haben, ihren Kindern den Glauben vorzuleben und die nun erfahren müssen, dass ihre Kinder ganz andere Wege gehen. Da sind die Katechetinnen und Katecheten, die Kinder auf die Erstkommunion vorbereitet haben und erleben müssen, dass 14 Tage später kaum noch ein Kind zum Gottesdienst kommt. Oder der Pfarrer, der erlebt, dass trotz all seines Mühens um eine lebendige Gottesdienstgestaltung die Kirche am Sonntag immer leerer wird. Wir könnten die Reihe der leeren Netze noch fortführen. Jede und jeder von euch kann sicher dazu beitragen.
Erinnerungs- und Erzählpause: Wo sind meine leeren Netze? Meine Enttäuschungen? Mein Versagen? Wo möchte ich mir meine Niederlagen nicht eingestehen? Wo habe ich Schuld auf mich geladen? Wo habe ich Feindschaft gespürt, wo Versöhnung verweigert? … Wo man in kleineren Gruppen zusammensitzt, können die Beteiligten ihre leeren Netze benennen, so wie sie es für richtig halten. Die einzelnen Zeugnisse sollten offen und empathisch gehört, aber nicht diskutiert werden.
Leere Netze schmerzen. Sie haben sicher unterschiedliche Gründe, die oft nicht beim einzelnen Menschen liegen. Doch werden sie als Enttäuschung erfahren, auch als persönliches Versagen. Man fühlt sich ohnmächtig. Enttäuschung und Wut überschwemmen uns von innen. Resignation und Traurigkeit machen sich breit. Es fehlt ja nicht an Sachverstand und Einsatz. Aber das bringt nichts. Da ist es wichtig, sich diesen Erfahrungen zu stellen und sie zu benennen, zu beklagen. Das erleichtert schon und lässt uns erfahren, dass es den anderen genau so geht. Alles Ausweichen oder Vertuschen hilft nicht. Auch wir dürfen wie Petrus zu Jesus kommen und bekennen: „Herr, wir haben die ganze Nacht gearbeitet, aber nichts gefangen.“ Jesus schickt ihn und uns nicht fort wie untaugliche Knechte. Wir sind gemeinsam mit ihm unterwegs. Jesus hat Verständnis für solche Erfahrungen. Er hat es ja selbst erleben müssen. Immer mehr Menschen blieben weg. Die Jünger, die bis zuletzt blieben, flohen, als die letzte Leidensgeschichte Jesu begann. Was blieb diesem Jesus als vorweisbarer Erfolg?
Evangelium Lk 5,5-10a
Simon Petrus: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch wenn du es sagst, werde ich die Netze auswerfen.“ Das taten sie, und sie fingen eine so große Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten. Deshalb winkten sie ihren Gefährten im anderen Boot, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen, und gemeinsam füllten sie beide Boote bis zum Rand, so dass sie fast untergingen. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: „Herr, geh weg von mir; ich bin ein Sünder.“ Denn er und alle seine Begleiter waren erstaunt und erschrocken, weil sie so viele Fische gefangen hatten; ebenso ging es Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten.
„Fahr hinaus auf den See. Dort werft eure Netze zum Fang aus!“ Aller Sachverstand spricht dagegen. Die Fische ziehen sich bei Helligkeit in die Tiefe zurück. Auch die Müdigkeit der Fischer spricht dagegen: die ganze Nacht gearbeitet und dann noch dieser Jesus mit seiner langen Predigt vom Boot aus und die vielen Leute, die ihn hören wollen. „Aber auf dein Wort hin!“
Haben wir die Kraft dazu? Und den Mut? Doch die Erfahrung vieler Menschen und Gruppen hier und in der ganzen Welt besagt: „Wenn wir kämpfen, wissen wir nicht, ob wir gewinnen. Aber wenn wir nicht kämpfen, haben wir schon verloren.“ Und ist sein Auftrag nicht auch seine Verheißung, sein Versprechen? Wenn wir dann nichts fangen, ist das auch seine Sache. Dann sind wir nicht alleine damit. Das kann uns Kraft geben und Geduld, leidenschaftliches Engagement mit Gelassenheit zu verbinden.
„Sie fingen eine so große Menge Fische, dass ihre Netze zu zerreißen drohten.“ Das also kann geschehen, dass plötzlich etwas gelingt, um das man sich lange vergeblich bemüht hatte, oder dass einem etwas völlig unerwartet geschenkt wird: Erfahrungen der Freude und des Glücks, unverdiente Liebe, gelungene Versöhnung, das Gefühl der Geborgenheit inmitten aller Fragen und Sorgen. All das bläst die negativen Erfahrungen nicht weg, aber es lässt darin nicht untergehen. Es lädt darüber hinaus ein zur Dankbarkeit, weil wir wissen, dass nicht unser Sachverstand und unsere Arbeit das erreicht haben, sondern dass es uns geschenkt ist, aber nicht ohne unseren Sachverstand und unseren Einsatz. „Geh fort von mir Herr, ich bin ein Sünder!“ sagt Petrus, nicht weil ihm Jesus eine Bußpredigt gehalten hat, sondern weil er unverdientermaßen beschenkt wurde. Der wunderbare Fischfang ist das Ergebnis von Jesu Auftrag und vom Einsatz der Fischer. Gott schenkt seine Wunder nicht an uns vorbei, sondern durch uns hindurch.
Erinnerungs- und Erzählpause: Wofür habe ich zu danken? Was, wer hat mich positiv überrascht? Was ist mir gelungen? Wofür kann ich dankbar sein? Wie erfahre ich den Dank anderer? ….. auch darüber ist ein gegenseitiges Erzählen für alle Beteiligten ermutigend sein. Als ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich die vollen Netze nicht so konkret beschreiben kann wie die leeren. Es sind vielleicht kleine, unscheinbare Erfahrungen von gelungenem Leben. Vielleicht sind wir auch nicht aufmerksam genug und betrachten vieles, was an Gutem geschieht, als selbstverständlich, nicht als Geschenk.
Evangelium Lk 5,10b-11
Da sagte Jesus zu Simon: „Fürchte dich nicht, von nun an wirst du Menschen fangen.“ Und sie zogen die Boote ans Land; dann verließen sie alles und folgten ihm.
Wir kennen das Leben mit Jesus, das nun folgte, die Klagen Jesu über den Kleinglauben der Jünger, der Erfolg bei den Menschen, seine Heilungen, aber auch die Widerstände und Verdächtigungen, die Enttäuschung über die vielen, die wegblieben, bis hin zur Flucht der Jünger aus der Leidensgeschichte ihres Herrn.
Wagen wir uns dieser Herausforderung zu stellen? Jesus ruft auch heute Menschen in seine Nachfolge. Wir brauchen dafür nicht alles zu verlassen und anderswo hinzugehen. Wir können dort sein Wort hören, wo wir sind, in unserer Familie, in unserer Gemeinde, in unserer sozialen Situation, in unserer Weltgesellschaft. Das ist unser See, unser Leben, wo wir unsere Netze auswerfen sollen, trotz aller leeren Netze, mit denen wir weiterhin rechnen müssen. Wir sind eingeladen, es auf sein Wort hin zu wagen - mit unseren bescheidenen Kräften. Vielleicht erleben wir jetzt schon, anfanghaft und voll Verheißung, dass etwas gelingt, überraschend und zugleich voll Zukunft. Er geht uns voran. Das Gelingen liegt bei uns - und bei ihm!
Die erste Lesung (Jes 6,1-2a.3-8) erzählt von der Berufung des Propheten Jesaja, der sich für unwürdig hält. Die zweite Lesung (1 Kor 15,1-11) spricht von der Grunderfahrung der Jünger der Auferweckung Jesu vom Tod. Gott ist mächtig genug, um in allen Untergängen neuen Anfang, neues Leben zu erwecken. Das gilt auch jetzt schon uns inmitten aller Bedrohungen und Untergängen unseres Lebens.
Gebet
Guter Gott, oft bestimmen uns Enttäuschung und Trauer
und blockieren unser Leben.
Wir möchten aufgeben,
aber auch das bringt uns nicht zur Ruhe.
Irgendwo keimt in uns immer noch die Hoffnung,
selbst in ausweglosen Situationen.
Lock uns heraus aus unseren Verstecken,
aus unserer Enttäuschung und Trauer,
aus unserer Müdigkeit und Resignation.
Schenke uns den Mut, immer neu zu beginnen.
Du willst, dass wir einander nicht aufgeben.
Du willst, dass wir dich nicht aufgeben.
Du gibst uns nicht auf.
Schenke uns die Kraft,
nächste Schritte zu gehen,
damit du vollenden kannst,
was wir beginnen.